Verpflegung von Menschen mit Demenz – Brücke zu vertrauten Erinnerungen schlagen
Eine Demenzerkrankung geht mit dem Verlust geistiger Fähigkeiten einher, was Einfluss auf die Persönlichkeit und das Sozialverhalten nehmen kann. Zusammen mit altersbedingten körperlichen Veränderungen können Demenzerkrankungen auch das Ess- und Trinkverhalten der Betroffenen ungünstig beeinflussen. Dazu zählt, dass:
- das Gefühl für Hunger und Sättigung verloren gehen kann.
- Unruhe oder ein starker Bewegungsdrang auftreten können, die dazu führen, dass Betroffene nicht mehr ruhig am Tisch sitzen bleiben und mehr Energie benötigen.
- das Essen und Trinken vergessen oder Speisen und Getränke nicht mehr als solche erkannt werden.
Was das für das Team in der Küche bedeutet
Menschen mit Demenz haben dadurch ein erhöhtes Risiko für eine Mangelernährung.
Demenzerkrankungen können sich bei jedem Menschen anders äußern. Demzufolge können sich auch die Anforderungen an die Ernährung je nach Stadium der Erkrankung unterscheiden. Ein Verpflegungsangebot nach DGE-Qualitätsstandard ist auch bei einer Demenzerkrankung die richtige Wahl, was in Kapitel 4.6.5 aufgeführt ist. Es gilt jedoch, je nach Ausprägung der Krankheit und der verbleibenden Fähigkeiten die Verpflegung entsprechend anzupassen. Zu beachten ist, dass die Fähigkeiten und damit auch die Kompetenz zu essen und zu trinken jeden Tag anders sein können.
- Bieten Sie gemäß der Essbiografie die Lieblingsspeisen und -getränke der betroffenen Person an. Dazu können auch gern gegessene Lebensmittel oder Gerichte aus der Kindheit gehören, die mit positiven Erinnerungen verbunden sind. Optimieren Sie diese im Sinne einer gesundheitsfördernden und nachhaltigen Verpflegung nach DGE-Qualitätsstandard.
- Ermitteln Sie Vorlieben und beachten Sie diese: Nicht immer, aber häufig haben Menschen mit Demenz eine Vorliebe für süße Speisen. In dem Fall können auch herzhafte Gerichte wie Fleisch- oder Gemüsegerichte gesüßt oder herzhaft belegte Brote z. B. zusätzlich mit Marmelade oder Honig bestrichen werden.
- Beachten Sie das Lebensmittel ohne Grund abgelehnt werden können: Saure Getränke wie Orangen- oder Grapefruitsaft werden oft abgelehnt. Bieten Sie stattdessen milde Säfte wie Bananen- oder Pfirsichsaft an. Sie eignen sich auch als Grundlage für Saftschorlen oder als Zugabe zu Milchmixgetränken. Auch die Farbe von Lebensmittel kann ein Grund für eine Ablehnung sein, z. B: eine Kiwi oder ein grüner Smoothie als giftig erachtet werden. Bereiten Sie den Smoothie in den Wohnbereichen zu, so sind die Zutaten erkennbar, was zur Akzeptanz beitragen kann.
- Bleiben Sie bei der Ablehnung von Speisen kreativ und flexibel: Bieten Sie über den Tag verteilt mehrere kleine Mahlzeiten statt der üblichen fünf Mahlzeiten an. Große Portionen können oft überfordernd und abschreckend wirken. Kleinere Portionen hingegen werden als „gut machbar“ wahrgenommen und daher oft besser akzeptiert.
- Bieten Sie energiereiche Speisen und Snacks für Menschen mit Lauftendenzen:
- Bereiten Sie für die sogenannten Läufer*innen energiereiches Fingerfood, das unter der Beachtung ausreichender Hygiene entlang der üblichen Gehstrecken auf den Wohnbereichen als „Essstationen“ zur Verfügung gestellt werden kann.
- Bieten Sie, wenn nötig, energiearme Lebensmittel oder Speisen an: Mitunter vergessen Menschen mit Demenz, dass sie gerade gegessen haben und fordern permanent Essen ein. Hierfür können Sie kleine, möglichst energiearme Snacks zubereiten, wie Rohkost oder fettarmer Joghurt mit Obst.
- Regen Sie die Sinne an: Die gezielte Anregung der Sinne kann dazu beitragen, den Appetit zu fördern und zum Essen und Trinken zu motivieren. Dadurch werden Mahlzeiten angekündigt und Orientierung geboten. Wird z. B. der Kaffee morgens oder am Nachmittag im Wohnbereich oder auf der Station gekocht, so gibt dies Orientierung und kann die Vorfreude auf die kommende Mahlzeit wecken.
Wie Küche und Pflege für Menschen mit Demenz zusammenarbeiten können
Unterstützen Sie das Pflegeteam oder die Mitarbeitenden der Betreuung, in dem Sie für kleine „Sinnes-Anregungen“ Lebensmittel einplanen und anbieten. Ein Beispiel wäre das bewusste Verkosten einer Kiwi, die zuerst gefühlt, dann aufgeschnitten und schließlich intensiv wahrgenommen und geschmeckt werden kann. Der leicht saure Geschmack, die kleinen Kerne und die grüne Farbe können gut erkannt werden und geben Anlass zum Gespräch. So kann über Lebensmittel oder beliebte Speisen eine Brücke zum Menschen oder in die Vergangenheit geschlagen werden.
Gehen Sie als Küchenteam in die Wohnbereiche und kochen Sie gelegentlich für die Bewohner*innen oder sogar mit ihnen. Auch und gerade Menschen mit Demenz unterhalten sich oftmals gerne über Essen. Sie können zudem noch bei der Zubereitung von Speisen unter-stützen, da dies häufig gut bekannte und vertraute Tätigkeiten sind. Über die Ansprache der Sinne können zudem Erinnerungen und Emotionen geweckt werden.
- Riechen: Bestimmte Gerüche können den Appetit wecken, z. B. der Duft von frischen Brötchen oder frisch gebrühtem Kaffee am Morgen, von etwas gebratenem Speck am Mittag oder von frisch gebackenem Kuchen am Nachmittag. Beachten Sie jedoch, dass Gerüche emotional oft unterschiedlich besetzt sind. Finden Sie heraus, worauf die betroffene Person besonders positiv reagiert!
- Schmecken: Gewürze und Kräuter sorgen für mehr Aroma im Essen. Achten Sie darauf, dass Speisen nicht zu scharf gewürzt sind und wählen Sie solche Kräuter und Gewürze, die von früher bekannt sind.
- Hören: Das Klappern von Geschirr und Besteck kann als Ankündigung einer Mahlzeit dienen. Auch das Benennen von Speisen („Heute gibt es…“) kann Orientierung und Sicherheit bieten.
- Sehen: Ein vielfältiges und farbenfrohes Gericht regt den Appetit an. Sorgen Sie dafür, dass die einzelnen Speise-Komponenten klar erkennbar sind. Dies ist v. a. bei pürierter Kost wichtig. Ebenso ist ein guter farblicher Kontrast zwischen Speise und Teller, Teller und Tischdecke/-set/-platte sowie farbige Becher oder Gläser wichtig. Eine gute Beleuchtung sorgt ebenfalls dafür, dass Mahlzeiten besser wahrgenommen werden.
- Fühlen: Bieten Sie Fingerfood an, wenn betroffene Bewohner*innen die Speisen lieber mit den Fingern essen. Dies ist ein besonders sinnliches Esserlebnis, das Genuss und Freude am Essen sowie das selbstständige Essen fördern kann.