Schutz vor Täuschung
Rechtsvorschriften
Täuschung bedeutet einfach gesagt, dass die Erwartung der Endverbraucher*innen nicht erfüllt wird. Die Bezeichnung, die Aufmachung (z. B. Kennzeichnung, Zutaten, Nährwerte), die Werbung, die Wirkung entsprechen nicht dem, was tatsächlich geboten wird. Im Vertrauen auf die Richtigkeit der Angaben zu dem Produkt erwirbt der Vertragskontrahent das Produkt und wird dabei irregeführt.
Ob die Auslobung, Aufmachung bzw. Bezeichnung eines Lebensmittels irreführend ist, beurteilt sich nach dem angesprochenen Verkehrskreis. Dies ist bei Lebensmitteln die verständigen Durchschnittsverbraucher*innen. Diese fiktive Person ist willens, Informationen wahrzunehmen und damit in der Lage, auch aus einem Zutatenverzeichnis oder weiteren Hinweisen Informationen aufzunehmen.
Für verschiedene Produkte bestehen entweder Rechtsvorschriften (z. B. Milcherzeugnis-Verordnung, Käse-Verordnung, Konfitüren-Verordnung) oder zumindest schriftlich niedergelegte Verkehrsauffassungen (z. B. Leitsätze der Deutschen Lebensmittelbuch-Kommission, Richtlinien der Industrieverbände). Diese erklären unter anderem, wie das jeweilige Produkt beschaffen sein muss. So beispielsweise die Konfitüren-Verordnung, die beinhaltet, welche Mengen von Früchten auf welche Menge Zucker einzusetzen sind. Wird der Gehalt an Früchten über oder unterschritten, darf das Produkt nicht mehr die Bezeichnung „Konfitüre" tragen, sondern ist ein „Fruchtaufstrich" oder dergleichen. Zudem wird bestimmt, welche Aufmachungsart für das jeweilige Produkt zu beachten ist. So bestimmen weiter z. B. die Leitsätze für Erfrischungsgetränke, wann fotografisch genaue Fruchtabbildungen verwendet werden dürfen. Soweit sich das Lebensmittelunternehmen an diese Rechtstexte bzw. Verkehrsauffassungen hält, verhält es sich rechtmäßig.
Die Leitsätze der Deutschen Lebensmittelbuch-Kommission sind frei zugänglich und werden regelmäßig aktualisiert. Die vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) beauftragten Fachausschüsse befassen sich in regelmäßigen Fachsitzungen auch mit aktuellen Fragestellungen, wie z. B. mit dem Leitsatz zum Thema „Vegane und vegetarische Lebensmittel mit Ähnlichkeit zu Lebensmitteln tierischen Ursprungs“.
Für Betriebe ist darauf hinzuweisen bei Anlieferung „loser Waren“ wie z. B. Backwaren, die Lieferant*innen aufzufordern „Produktbeschreibungen“ (Produktprofile, Produktpässe) über die einzelnen Waren bereitstellt werden. Insbesondere bezüglich der Informations- und Kennzeichnungspflichten über die Zusatzstoffe und Allergene sind diese Produktbeschreibungen zwingend erforderlich.
Adressatengerechte, aussagekräftige und wahre Verbraucher*inneninformationen sind aus Sicht der Lebensmittelwirtschaft unabdingbar, um Durchschnittsverbraucher*innen Auswahl, Kauf und sachgerechte Verwendung von Lebensmitteln zu ermöglichen.
Auch die Verantwortlichen für den Einkauf der Zutaten können sich auf die Kennzeichnungen nur verlassen, wenn diese korrekt sind. Allerdings zählt es auch zur Sorgfaltspflicht des Lebensmittelunternehmers, sich über die Zusammensetzungen der Bestellungen bzw. der Wareneingänge zu informieren und die Angaben zu überprüfen, wie z. B. mithilfe eines Vergleichs der Angaben auf dem Etikett und der mitgelieferten Produktbeschreibung. Des Weiteren ist darauf zu achten, dass in den Produktpässen die Einhaltung der relevanten Rechtvorschriften bestätigt wird und die Ausführungen aktuell sind.
Irreführende Aufmachungen und Bezeichnungen von Lebensmitteln sind nicht akzeptabel und als Verstoß gegen geltendes Recht zu ahnden. Der § 11 des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches (LFGB) schreibt vor: Der Verbraucher darf nicht getäuscht werden, und zwar
- unabhängig von der Abgabeform (vorverpackte oder nicht vorverpackte, d. h. „lose" Ware)
- unabhängig vom Ort des Erwerbs (Einzelhandel, Handwerk, Gemeinschaftsverpflegung, Gastronomie oder Imbiss) sowie
- unabhängig von der Qualität und dem Preis des Produkts.
Dieses allgemeine Irreführungsverbot sicherzustellen, ist die Pflicht des Anbietenden. Dies zu kontrollieren, ist Aufgabe der amtlichen Lebensmittelüberwachung. Denn bei fehlender oder nicht korrekter Kennzeichnung, würde manche*r Enderbraucher*in ein nachgemachtes Lebensmittel in dem Glauben erwerben und verzehren, ein qualitativ hochwertiges Produkt vor sich zu haben. Verstöße gegen die Kennzeichnungsvorschriften können strafrechtlich verfolgt werden. Zweifelsfrei ist, dass eine falsche oder fehlende Kennzeichnung nicht sein darf und zu Recht geahndet werden muss.
Was sind Ersatz- bzw. Imitat-Produkte?
Analogkäse ist beispielsweise ein Lebensmittel, bei dem das Milchfett durch Pflanzenfett ersetzt wurde. Ähnlich verhält es sich bei Eisspeisen. Solche Produkte, zu deren Herstellung meist Magermilchpulver und Pflanzenöl verwendet werden, dürfen nicht mit der Verkehrsbezeichnung „Käse“ bzw. „Milchspeiseeis“ angeboten werden. Ebenso verhält es sich mit Analog-Schinken, der eine Art grobe Brühwurst mit einem relativ hohen Wasseranteil ist. Die meisten Lebensmittel-Imitate schmecken aufgrund ihrer Zutaten deutlich weniger aromatisch und sind im Handel wesentlich günstiger als ihre Vorbilder erhältlich.
Die rechtliche Ausgangslage
Der hohe Täuschungsschutzstandard in § 11 des Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände-, Futtermittelgesetzbuchs (LFGB) entspricht dem gemeinschaftsrechtlichen Regelungsniveau auf europäischer Ebene. Denn die Lebensmittelinformations-Verordnung (LMIV)schreibt ebenfalls ein allgemeines Irreführungsverbot vor. Dort steht, dass die Etikettierung bzw. Aufmachung eines Lebensmittels nicht geeignet sein dürfen, „über die Eigenschaften des Lebensmittels, namentlich über Art, Identität, Beschaffenheit, Zusammensetzung, Menge, Haltbarkeit, Ursprung oder Herkunft und Herstellungs- oder Gewinnungsart" irrezuführen, was im Artikel 7 unter der Überschrift „Lauterkeit der Informationspraxis" festgehalten wird.
Zusammenfassend formuliert: Nach geltendem Recht (europäisch wie national) besteht die eindeutige Verpflichtung, sogenannte Lebensmittel-Imitate in einer für die Endverbraucher*innen ausreichenden Weise kenntlich zu machen. § 11 LFGB schreibt in seiner geltenden Fassung und Auslegung durch die Gerichte bereits vor, dass die Richtung und das Ausmaß der Abweichung eines (als Zutat verwendeten) Lebensmittel-Imitats von einem Original für die Verbraucher*innen hinreichend deutlich erkennbar sein muss.
Lebensmittelrechte Anforderungen
- Lebensmittel müssen den geltenden rechtlichen Anforderungen entsprechen. Sie müssen sicher, d. h. gesundheitlich unbedenklich, sein und dürfen in ihrer Aufmachung, Bewerbung und Kennzeichnung die Endverbraucher*innen nicht in die Irre führen.
- Lebensmittel werden seit jeher in unterschiedlichen Qualitäten oder Zusammensetzungen vermarktet. Dadurch wird ein vielfältiges Produktangebot in unterschiedlichen Preissegmenten möglich. Die Verwendung alternativer Zutaten in Lebensmitteln ist deshalb weder rechtswidrig noch generell negativ zu bewerten.
- Die Endverbraucher*innen können zwischen hochwertigen oder preiswerteren Produkten wählen. Dafür ist Kennzeichnung/ Kenntlichmachung eine elementare Voraussetzung.
- Die Lebensmittel mit alternativen Zutaten müssen den allgemeinen gesetzlichen Vorschriften entsprechen und so gekennzeichnet sein, dass der Verbraucher nicht getäuscht wird. Das gilt für alle Angebotsformen und -orte, d. h. für vorverpackte wie für nicht vorverpackte „lose" Ware, für die Abgabe in Handel, im Handwerk oder in der Außer-Haus-Verpflegung wie den verschiedenen Einrichtungen der Gemeinschaftsverpflegung.
- Das Lebensmittelrecht fordert, dass Lebensmittel gekennzeichnet und die unterschiedlichen Zusammensetzungen aus dem Zutatenverzeichnis abzulesen sind. Auch die Bezeichnung (= Produktname), die das Lebensmittel auf der Verpackung beschreibt, trägt dazu bei.
- Die vorhandenen rechtlichen Vorgaben für die Kennzeichnung/ Kenntlichmachung von Lebensmitteln und das bestehende Irreführungsverbot schützen die Verbraucher*innen vor Täuschung. Zur Verfolgung solcher Rechtsverstöße stehen den Überwachungsbehörden genügend Instrumente und ein ausreichender Sanktionskatalog zur Verfügung.