Interview zum Thema Fair-Trade-Produkte in der GV
Beiträge von der Christliche Initiative Romero e.V. (CIR) und den LWL-Kliniken Münster & Lengerich zum Wissensschnittchen am 03.09.2024.
Portrait Merle Kamppeter:
Merle Kamppeter ist Referentin für nachhaltige Agrarlieferketten und faire öffentliche Lebensmittelbeschaffung bei der Romero Initiative (CIR). Die Romero Initiative ist eine Menschen- und Arbeitsrechtsorganisation in Münster, die sich seit über 40 Jahren für ein gerechtes globales Wirtschaftssystem einsetzt.
Zwei Fragen an Merle Kamppeter:
1. Welche Produkte werden normalerweise in der Gemeinschaftsverpflegung eingesetzt?
Produkte, die in der Gemeinschaftsverpflegung eingesetzt werden und in deren Lieferketten es nicht selten zu gravierenden Menschen- und Arbeitsrechtsverletzungen kommt, sind z. B. Kaffee, Tee, Reis, Südfrüchte (Mangos, Ananas, Orangen) sowie deren Säfte und Gewürze wie Pfeffer, Vanille, Curry etc. Bei Produkten, die üblicherweise aus Ländern des Globalen Südens importiert werden, sollte daher darauf geachtet werden, dass sie aus dem Fairen Handel bezogen werden. Diese Lebensmittel werden zum Teil in großen Mengen in der Gemeinschaftsverpflegung eingesetzt – indem hier auf Fair-Trade-Produkte geachtet wird, kann die Gemeinschaftsverpflegung ein Zeichen setzen: Für Menschen- und Arbeitsrechte und gegen Ausbeutung in Lebensmittellieferketten.
Auch der Textilsektor ist ein für die Gemeinschaftsverpflegung relevanter Sektor, in dem es häufig zu Arbeitsrechtsverletzungen kommt. Mittlerweile gibt es immer mehr (Berufs-)Bekleidungsunternehmen, die sich z.B. durch eine Mitgliedschaft in der Fair-Wear-Foundation für faire Arbeitsbedingungen einsetzen (z. B. Greiff, Bierbaum-Proenen, Engelbert Strauss).
2. Welche Erfahrungen gibt es aus der Praxis zur Umstellungen von einzelnen Artikeln? 2 Beispiele zur Veranschaulichung wären toll.
Es gibt bereits einige gute Beispiele zur Umstellung auf Fair-Trade-Produkte in der Gemeinschaftsverpflegung. Seit dem Schuljahr 2020/2021 beziehen Berliner Grundschulen Reis, Bananen und Ananas aus dem Fairen Handel. Monatlich sind das ca. 30 Tonnen Reis und knapp eine halbe Million Bananen – das zeigt deutlich, welche Hebelwirkung die öffentliche Hand und die Gemeinschaftsverpflegung auf die Unterstützung des Fairen Handels hat. In Dortmund decken über 100 Kitas ihre Bedarfe an Lebensmitteln über einen Rahmenvertrag: Neben Bio-Produkten sollen Lebensmittel, die nur im Klima des Globalen Südens angebaut werden (wie z.B. Kaffee, Kakao und Südfrüchte), aus dem Fairem Handel bezogen werden. Die Marktverfügbarkeit von Produkten aus dem Fairen Handel ist sehr gut, auch im Großhandel. Mittlerweile verfügen z.B. fast alle größeren Kaffeemarken auch über eine faire Linie.
Portrait Thomas Voß
Thomas Voß ist Kaufmännischer Direktor und EMAS-Umweltmanagementvertreter der LWL-Kliniken Münster und Lengerich und seit 2010 Mitglied im Netzwerk der BioMentoren . Die LWL-Kliniken haben sich mit beiden Standorten schon 2004 auf den Weg gemacht, ihre Küchen auf ein nachhaltiges Verpflegungsmanagement mit frischen Produkten aus ökologischem Landbau und fairem Handel umzustellen.
Zwei Fragen an Thomas Voß:
1. Was umfasst der Begriff Fair Trade bei Ihnen?
Wir fassen den Begriff weiter als er gemeinhin verstanden wird. Neben dem klassischen Verständnis, nämlich dem Fairen Handel in Bezug auf die Erzeuger (kleinbäuerliche Strukturen) in Dritte-Welt-Ländern und Schwellenländern fassen wir unter Fairen Handel auch Tierwohl (Fairness für Mensch und Tier), den fairen Umgang mit unseren Direktlieferanten (insbesondere Bioland-Höfe), die Vermeidung von Lebensmittelverschwendung und nicht zuletzt die Information unserer Gäste über die Bedeutung „guter“ Lebensmittel.
2. Welche Schritte sind im aktuellen Jahr bei der Umsetzung der Nutzung von Fair-Trade Produkten geplant und welche Ansatzpunkte sehen sie in Zukunft noch?
Aktuell haben wir in beiden Kliniken das Kaffeeangebot zu 100% auf Bio und Fair Trade umgestellt, in Münster auch das komplette Teesortiment. Wir planen im aktuellen Jahr die vollständige Umstellung des Teesortiments auch für die LWL-Klinik Lengerich. Für 2025 nehmen wir die Umstellung von Bio-Bananen auf Fair Trade Bio-Bananen sowie die sukzessive Umstellung unserer gesamten Gewürzpalette von 100% Bio auf Fair Trade Biogewürze in Angriff. Bei unserem Bio-Reis experimentieren wir noch mit heimischen Alternativen wie z. B. Dinkel statt Reis in Bio-Qualität, da Reis eine eher schlechte Klima- und Wasserbilanz hat. Den Reis, den wir dann noch einsetzen, wollen wir in 2025 auch auf Fair Trade Bio umstellen.